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Friedensverhandlungen: Livni, Shas und all die anderen….

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Zipi Livni Da ist sie also wieder, Zipi Livni. Gestern Abend kam die Meldung: Netanjahu hat sich als erstes mit ihr geeinigt, ihre Partei Hatnuah ist der erste sichere Koalitionspartner. Will heißen: Livni wird Justizministerin und wird die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern leiten. Friedensverhandlungen? Ja, genau dies. Denn Netanjahu erklärt schon seit Wochen, seit der Wahl, daß diese essentiell wichtig seien und man dies nun vorantreiben möchte. Und Livni, die eigentlich Netanjahu nicht ausstehen kann (vice versa!), erklärte gestern, daß man die Differenzen beiseite gelegt habe im Interesse Israels, weil man ja große Probleme vor sich habe: Iran, Syrien, natürlich die Palästinenser und vieles mehr. Und: sie habe bei den Gesprächen mit Netanjahu den Eindruck gewonnen, er meine es ernst mit dem Frieden, er habe verstanden, daß Israel in internationale Isolation geraten ist….

Fein, mag sich der Beobachter denken. Es geht alles in die richtige Richtung. Die Frommen werden auch bald hinzukommen (na klar!).  Die Shas-Partei erklärte schon, daß man sich wohl bald einig sei mit Netanjahu, der – so Kommentatoren – möglicherweise eine Minderheitenkoalition schaffen könnte mit noch einer weiteren ultrareligiösen Partei, dem “Vereinten Thora Judentum” (und Kadima) - und dann müßten die Newcomer Bennett und Lapid irgendwie sich entscheiden, ob sie mitmachen oder nicht und unter welchen Bedingungen…

Netanjahu ist ein extrem schlauer Taktiker, das hat er oft genug bewiesen. Daß er Livni ins Boot geholt hat, ist – zunächst einmal – als Signal an Obama und die Europäer für ihn Gold wert: Seht her, ich habe euren Darling an Bord, sie, die als einzige Politikerin mit ihrer Partei bei den Wahlen mit dem Programm angetreten ist, den Friedensprozeß mit den Palästinensern voranzubringen, sie ist meine erste Koalitionspartnerin, sehr her, ich meine es ernst! In D.C., in Berlin, Paris, London und anderswo werden einige aufatmen – die Blockadepolitik der alten Regierung Netanjahu scheint vorbei.

Selbst der Hardliner Yaacov Amidror, der Nationale Sicherheitsberater Netanjahus, hat ja unlängst die Ankündigung, in E1 neue Siedlungen zu bauen, als Fehler abgekanzelt. Er hat gewarnt, daß der Siedlungsbau den westlichen Freunden nicht mehr vermittelbar sei, “nicht mal Kanzlerin Merkel”, und man damit aufhören müsse im Interesse Israels.

Da scheint also was zu bröckeln in einigen Köpfen und Netanjahu die Zeichen der Zeit verstanden zu haben. Aber wird das für Friedensverhandlungen, echte Verhandlungen, mit echten Fortschritten und Ergebnissen, reichen? Oder werden die Verhandlungen von Netanjahu nur gewünscht und angestoßen, um am Ende zeigen zu wollen: Seht her, wir waren ja bereit, wir haben alles getan, was ihr, der Westen, von uns verlangt habt, aber die Palästinenser sind nicht bereit, das ihre dazu beizutragen?

Denn noch ist ja nicht klar: Wird Präsident Abbas an den Verhandlungstisch zurückkehren? Es wird Druck brauchen, viel Druck, um ihn dazu zu bewegen. Da wird Obama, wenn er am 20. März nach Israel und in die palästinensischen Gebiete kommt, im Vorfeld einiges an Überredungskunst aufbringen müssen.

Und wenn es dann gelingt, was dann? Verhandlungen beginnen erneut. Ok, immerhin. Aber ist Netanjahu wirklich bereit heilige Kühe zu schlachten? Wie etwa die Teilung Jerusalems? Und ist Abbas bereit, bzw. in der Lage, die heiligste aller palästinensischen Kühe zu schlachten: Das sogenannte “Rückkehrrecht” der Palästinenser, demzufolge alle “Flüchtlinge” (heute bezeichnen sich etwa 5 Millionen als solchige) zurück können in das, was heute das Kernland Israel ist? Als er vor einigen Wochen im israelischen Fernsehen ein Interview gegeben hatte, in dem er erklärte, daß er nicht mehr in seine Geburtststadt Zefat (Safed) zurückkehren will, daß dies Israel sei, daß man lediglich das Westjordanland und Gaza als “Palästina” haben wolle, da waren die Schreie in der arabischen Welt laut. Hamas brüllte am lautesten: “Verräter” … und so war Abbas gezwungen, gleich danach in einem ägyptischen Fernsehsender sich zu “korrigieren”: Nein, nein, er habe das “Rückkehrrecht” nicht aufgegeben, er habe dies lediglich für sich persönlich gemeint, daß er nicht mehr zurückwolle, und so weiter und so fort… (wobei übrigens zwei Dinge in Sachen “Rückkehrrecht” klar sind: Nach internationalem Recht können sich nachfolgende Generationen gar nicht mehr als Flüchtlinge bezeichnen und haben keine Rechte, irgendwohin zurückzukehren. Das gilt für alle Flüchtlinge weltweit. Und: es ist bei früheren Verhandlungen längst klar geworden, daß Jerusalem möglicherweise eine kleine symbolische Zahl an Palästinensern nach Israel reinlassen könnte, die anderen bekämen finanzielle Kompensation etc. – das weiß auch jeder palästinensische Politiker, nur: das muß der Bevölkerung verkauft werden. Wobei die meisten Menschen, die wir aus den Flüchtlingslagern kennen, sich dessen durchaus bewußt sind, daß sie nie mehr in ihre alte Heimat zurückkehren werden. Es ist ein wenig wie mit dem nackten Kaiser: jeder sieht, daß er nackt ist, jeder weiß es, nur niemand traut sich’s auszusprechen..)

Wird Abbas also dies tun können: Den entscheidenden Schritt, der – und die Forderung wird Netanjahu mit Sicherheit aufrecht erhalten – auch verlangt, Israel als die Heimat des jüdischen Volkes anzuerkennen (auch das hat er sich bislang geweigert zu tun)? Im übrigen gibt es da noch einen “Schönheitsfehler”: Abbas hat mal angekündigt, daß in einem Staat Palästina keine Juden leben dürften. Warum eigentlich nicht? Was für einen Staat will er denn, wenn nicht einen demokratischen und das würde bedeuten: da dürfen alle leben, die sich dem palästinensischen Gesetz unterstellen? So wie es Araber mit israelischem Pass gibt, so kann es doch – zumindest theoretisch – auch Juden mit palästinensischem Pass geben. Es gibt genug Siedler, denen das (heilige) Land inzwischen wichtiger ist als der Staat Israel. Wenn diese – zumindest theoretisch – den heiligen Boden nicht aufgeben wollen und daher bereit wären, als palästinensische Staatsbürger in einem Staat Palästina zu bleiben – warum wird das von Abbas (im Grunde zutiefst rassistisch) zurückgewiesen? Man kann natürlich kaum glauben, daß Juden ernsthaft in Palästina leben wollen würden, ok. Aber das ist ja eine andere Sache. Kann, darf ein Politiker, der “Demokratie” will, eine Menschengruppe als Staatsbürger sofort ausschließen??

Zurück zu den möglichen Friedensverhandlungen: Hofft Netanjahu, daß die Verhandlungen sowieso scheitern, weil er entweder die Latte zu hoch legen wird für die Palästinenser oder diese ihre Positionen aus innenpolitischen Gründen nicht verschieben können? Will Netanjahu vielleicht nur Obama befriedigen, der möglicherweise auch nicht mehr an einen wahren Frieden glaubt, aber Verhandlungen als Feigenblatt gegenüber der arabischen Welt braucht, um noch irgendwie glaubwürdig zu sein?

Wer mein Videoblog von vergangenem Montag gesehen hat, hat ja gehört: Obama ist nicht willkommen bei den Palästinensern. Die Stimme des Taxifahrers kann da durchaus als pars pro toto gesehen werden. Wo immer ich hinkomme im Westjordanland oder Gaza: An Obama glaubt keiner mehr, man ist von ihm noch enttäuschter als von George W. Bush, denn auf Obama hatten sie alle gesetzt – und er hat nicht nur nicht geliefert, sondern sich in den Augen der palästinensischen Bevölkerung auch noch Netanjahu und der “Israel Lobby” in den USA ergeben.

Meine Freunde nennen mich einen Pessimisten, ich sähe immer nur schwarz. Nun ja, das mag sein. In Sachen Nahostpolitik habe ich mit meinem Pessimismus leider meist recht behalten. Insofern bleibe ich meiner Natur treu und zweifle erst mal daran, daß neue Friedensverhandlungen endlich Frieden bringen werden… Aber wer weiß? Vielleicht werde ich ja überrascht? Vielleicht ist die Zeit ja reif, dank der möglichen oder echten Bedrohung aus dem Iran, dank der wachsenden Bedrohung durch den islamischen Fundamentalismus. Vielleicht wird die neue Regierung Netanjahu ernsthaft versuchen, das Palästinenserproblem vom Hals zu bekommen, um sich den größeren, viel bedrohlicheren Entwicklungen im Nahen Osten konzentriert widmen zu können? Und wenn das so wäre, bleibt halt immer noch die Frage: Kann Abbas mitspielen? Und was wird die Hamas dann tun? Oder wird sie gar von Präsident Mursi “im Zaum gehalten”? Und was werden dann die Salafisten, die Al-Kaida-Kämpfer, die Hizbollah tun? Fragen, Fragen, Fragen…. Wir werden hier sicher noch häufig über die “Friedensverhandlungen” berichten…

 


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